Am 30. Juli 2014 war es so weit. Alle deutschen Telekommunikationsunternehmen durften ihre VDSL-Ausbaupläne der kommenden 12 Monate
ihrem größten Wettbewerber offenlegen. Der Regulierung sei Dank für diese Marktransparenz. Naja, zumindest eine einseitigeTransparenz.
Wie kommt das?
Nun, den Lobbyisten der Telekom ist es gelungen der Bundesnetzagentur (BNetzA) zu vermitteln, dass das alte DSL nun kaputt ist und neues DSL her muss. Vectoring ist hier das Zauberwort. Vectoring wäre die Rettung der schwächelnden Telekom Telekommunikationsbranche und endlich ein adäquates Medikament gegen die Kabelnetzbetreiber. Die konnte schon vorher mit viel Internet aber ohne DSL werben. Und was für ein Glück – so wurde der Bundesregierung doch direkt mal verkauft -, dass Vectoring auch gut für die weißen Flecken und den Breitbandausbau in Deutschland sei. Es ist immer hilfreich, wenn jemand der Bundesregierung einen Weg durch dieses Neuland zeigt.
Ein Tintenkiller für die Kupferleitung, so funktioniert es.
Vectoring macht Fehler weg, wie ein Tintenkiller in der Schule. Es misst in Echtzeit alle Fehler aller Leitungen eines DSL-Netzstranges und steuert diese dann gegeneinander aus, sodass aus 50 Mbit/s plötzlich 100 Mbit/s werden, weil eben weniger Fehler das sind. Praktisch, wenn alle Drähte fürderhin in Harmonie koexistieren. Man muss es sich vorstellen wie 100 Menschen in einem Raum und alle reden und brabbeln. Nichts versteht die eine Ecke von der anderen Ecke. Aber wenn alle schön geordnet und nacheinander mal leiser oder lauter und nach Bedarf reden, dann kommt eben mehr rum an Information.
Moderne Technologie für wen?
Die Echtzeitfehlerkorrektur ist wirklich wahre Hightech. Hier gilt meine uneingeschränkte Bewunderung. Doch wer partizipiert davon? Wer ist der Gewinner, wenn man bedenkt, dass Vectoring lediglich eine Verbesserung für VDSL-Aschlüssen darstellt, die bereits heute bis zu 50 Mbit/s in Empfangsrichtung (Downstream) und 10 Mbit/s in Senderichtung (Upstream) bietet. VDSL-Netzknoten finden wir zumeist in der Stadt, weil dort viele Menschen sich um einen Netzknoten drängen. Warum ist das wichtig? Weil nach ca. 600- 800 Meter von VDSL nicht mehr viel zu spüren ist und ADSL mit 16 Mbit/s die Macht übernimmt. Und selbst ADSL verliert sich dann nach 5-6 Kilometer in die Nichtigkeit. Auf dem Land sind die Leitungen alle lang. VDSL funktioniert nur mit sehr kurzer Leitung und Vectoring nur mit VDSL.
Gewinner sind die Guten.
Aus VDSL wird Vectoring-VDSL und aus 50/10 Mbit/s werden maximale 100/40 Mbit/s, aber eben nur in der ersten 600-800 Meter vom Netzknoten entfernt. Und ein Netzknoten ist dann ein sogenannter KVz (Kabelverzweiger), diese grauen Kisten am Straßenrand. Wer also bereits mehr hatte und am KVz wohnt, der bekommt jetzt noch mehr. Das ist toll, außer er hängt am HVT.
Egal ist‘s für die alten Guten.
Vectoring kommt nur aus dem KVz. Alle KVz und auch viele Kunden hängen direkt an den großen Netzknoten, den Hauptverteilern (HVT oder „Amt“). Hier saßen früher die Damen von Amt, heute ist dort nur Technik und seit vielen Jahren auch ADSL- und seit wenigen Jahren VDSL-Technik. Aus dem HVT heraus kommt aber kein Vectoring, denn das ist aktuell nicht geplant. Vermutlich ist das so, weil die zu überwachenden Kabelstränge viel zu groß wären für sinnvolles Vectoring. So kommt es, dass diese im sogenannten HVT-Nahbereich (rund 550 Leitungslänge rund um den HVT) kein KVz Vectoring erhalten und somit zur Folge hat, dass viele Kunden die früher schon VDSL hatte, VDSL behalten dürfen aber keine Chance auf Vectoring-VDSL haben.
Ganz dumm läuft‘s für die, bei denen es vorher schon dumm lief.
Wer lang hat, den lässt man lang hängen. Oder anders gesagt, wer vorher wenig bekam, also eine lange Leitung hatte, der bekommt jetzt auch nicht mehr. 2 Mbit/s bleiben 2 Mbit/s, denn auch Vectroring verkürzt keine Leitungen (remind the 600-800m). Somit kann Vectoring auf dem Land nicht helfen. Es sei denn, man würde viel Geld nehmen und viele neue Knoten bauen auf dem Land. Macht man aber meist nicht.
Und wie geht es weiter mit den weißen Flecken draußen auf dem Land.
Zunächst einmal wie gehabt. Große Schritte kann keiner machen. Die Regierung hilft nicht, formuliert eine hohle Digitale Angenda. In die alternative Breitbandbranche zieht die Depression ein, denn die Regierung hilft dem großen Magentariesen gegen die Kabelanbieter, den kleinen Anbietern aber nicht beim Ausbau. Von den ambitionierten FttH-Projekten redet man kaum noch. Denkbare Gelder beim ehemaligen Staatsbetrieb für den Ausbau wandern nun in den Vectoringausbau. 1,4 Millionen Haushalte in 82 Ortsnetzen sollen erschlossen werden in den kommenden Jahren. Alleine 38.000 KVz sollen in den kommenden 12 Monaten mit Vectoring-DSL ausgebaut werden.
Wie viele davon auf dem Land?
Zusammengefasst:
- Vectoring bringt neue hohe Bandbreiten bis 100 Mbit/s (Down) und 40 Mbit/s (Up).
- Vectoring funktioniert ausschließlich auf VDSL-Leitungen.
- VDSL-Leitungen funktioniert nur mit kurzer Leitungslänge.
- Auf dem Land sind die meisten Leitungen lang.
- In den Vectoringausbau fließen viele Millionen Euro.
- Diese Millionen gehen zumeist in die Städte, hier lohnt sich der Ausbau.
- Die ländlichen Regionen sehen davon nichts.
Nicht erwähnt bleibt der Treppenwitz der Vectoringliste, der Druck für die alternativen Anbieter, die Remonopolisierung des Accessmarktes, die kommende Reaktion der Kabelanbieter und anderes.
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