Die Telekom möchte den sogenannten Nahbereich von 550 Metern rund um die ca. 7.900 Hauptverteiler (Vermittlungsstellen) in Deutschland, exklusiv mit Vectoring-Technologie ausbauen. Bisher durfte hier niemand weder Vectoring noch VDSL einsetzen. Zukünftig dürfte das dann nur die Telekom.
Lediglich außerhalb dieses Bereiches haben Telekom und die Schar der alternativen Anbieter die sogenannten KVz (Kabelverzweiger) ausbauen und von dort Kunden mit 100/40 Mbit/s versorgen dürfen. Das hat teilweise den skurrilen Effekt hat, dass in den Städten die Haushalte, die weitere weg von der Vermittlungsstelle wohnen, mehr Internet bekommen, als Haushalte dicht bei, denn aktuell können Kunden am HVt mit maximal 50 Mbit/s und am Nahbereichs-KVz nur mit 16 Mbit/s versorgt werden.
Nun scheint es so, dass die Regulierungsbehörde mit Abstrichen der Telekom recht geben möchte. Warum?
Der Köder ist enorm.
Die Telekom verspricht den Ausbau der 7.900 HVt eigenwirtschaftlich, also mit eigenen Mitteln. Das würde diesen Bereich von einer Breitbandverfügbarkeit auf (bis zu) 100 Mbit/s anheben. Und das Ganze ohne (direkten) Zuschuss der Regierung. Das wollen und können die alternativen Anbieter von Breko (Bundesverband Breitbandkommunikation e. V.) und Buglas (Bundesverband Glasfaseranschluss e. V.) so nicht anbieten. Es ist ja auch nicht so, dass sich an jedem HVt bereits eine Alternative tummelt. Trotzdem gibt es bereits Anbieter, die der BNetzA (Bundesnetzagentur) ein vergleichbares – wenn nicht sogar besseres Angebot – gemacht haben. Aber eben nur in Teilbereichen.
Zum Trost für den Wettbewerb oder zur Besänftigung der Wettbewerbshüter bietet die Telekom an, allen Mitbewerber gegen Einwurf von Geld mit auf Ihr Netz zulassen, dem sogenannten VULA-Produkt (virtual unbundled local access (Dazu später mal mehr)). Was hier gerne vergessen wird ist, dass diese Anbieter dann in der Produktgestaltung 100% abhängig von dem großen rosa Riesen sind. Mehr oder andere Bandbreiten, günstigere Preise, besondere Produktfeatures werden dann nur schwer zu realisieren sein.
=> Infrastrukturwettbewerb wird reduziert.
Das Breitbandziel rückt näher.
Mit einem solchen Ausbau würde die Bundesregierung ihrem Breitbandziel näher kommen. Flächendeckende Versorgung des Landes mit mindestens 50 Mbit/s.
Eine sehr hohe Anzahl Haushalte im Nahbereich werden dann mit Bandbreiten über 50Mbit/s versorgt werden können. Das zahlt natürlich auf das Breitbandziel ein und erhöht damit die Zielquote – zumindest statistisch.
=> Das politische Ausbauziel wird errreichbarer.
Weiße Flecken bleiben weiß.
Ein wesentlicher Grund für die Breitbandstrategie der Bundesregierung ist es, weiße Flecken in der Breitbandkarte zu stopfen. Weiße Flecken sind jedoch immer fern von jedem HVt und seinem Nahbereich. Sie sind unterversorgt, weil sie eben viele Kilometer Leitungslänge haben und sich dort jedes DSL-Signal verliert.
So ist also die Idee der Telekom keine Maßnahme, die auf das Weiße-Flecken-Ziel einzahlt. Sie hilft hier ü-b-e-rhaupt nicht! Im Gegenteil. Gelder der Telekom würden wieder in bereits versorgte Gebiete investiert werden, nicht dort wo sie gebraucht werden.
=>Der Nahbereich kennt keine unterversorgten Gebiete.
Ein Schritt in die falsche Richtung.
Heute ist man sich einig, dass die Zukunft der Glasfaser gehört. Mit dem weiteren Ausbau der Kupfer-Technologie im HVt-Nahbereich würde erneut alte Technik auf alten Netzen gefördert. Die Telekom bezeichnet das zwar als Schritt zu den Glasfasern hin und immerhin würden die KVz ja auch Glasfaser bekommen, aber das ist nur sehr eingeschränkt richtig.
Der Endkunde behält weiterhin seine Kupferleitung mit VDSL. Altes Netz!
Die Glasfasernetze zur KVz-Versorgung werden auch als FTTC-Netze bezeichnet. Nur mit viel Aufwand und noch viel mehr Geld können aus FTTC-Netzen dann FTTB/H-Netze gemacht werden. „From Scratch“ sieht ein FTTB-Netz ganz anders aus als ein FTTC-Netz. Es bräuchte nämlich den HVt und die KVz nicht mehr. Es könnte kosten- und wegeopimiert gebaut werden.
=>Weitere Investitionen in alte Technik.
Ein nachvollziehbarer Schritt für die Telekom.
Der Telekom gehören die Kupfernetze und die Netzknoten HVt und KVz. Hier ist millionenschwere Technik verbaut, die man nicht gerne wegwerfen möchte. Darum möchte die Telekom diese Investitionen und Techniken schützen. Ein wünschenswerter kompletter Ausbau in Deutschland mit Glasfaser ginge in die Milliarden und ist auch für den rosa Riesen kaunm zu stemmen.
Schlussendlich hat die Telekom bei einem potentiellen Ausbau ja auch nicht den Gewinn, den ein neuer Wettbewerber hat. Die Telekom hat 100% aller DSL-Kunden an ihrem Netz. Entweder versorgt sie die Kunden selber oder ein Wettbewerber tut es und zahlt der Telekom das TAL-Entgelt für die letzte Meile. Die Telekom bekommt immer Geld.
Baut sie nun ein neues Netz und schwenkt ihre Kunden, gewinnt sie kaum. Einige Kunden zahlen vielleicht etwas mehr Grundgebühr für mehr Leistung aber der Großteil ist nicht bereit tiefer in die Taschen zu greifen. Hinzu kommt der Aufwand beim Kunden z.B. die Modem auszutauschen oder überhaupt mit dem Kunden zu reden. Dann ist die Gefahr groß, dass wenn man einen Kunden anfasst, dieser auch auf dumme Ideen kommt, zum Beispiel den Anbieter zu wechseln. Darum mag es besser sein keine schlafenden Hunde zu wecken. Viel Aufwand für ein nur geringe Gewinnerwartung.
=>Als gewinnorientierte Gesellschaft will die Telekom ihre Technik schützen.
Schade ist das alles und es bringt uns nicht voran.
Wir sind auf dem Weg zur Gigabitgesellschaft, nur leider nicht im HVt-Nahbereich. Ich kann die technikkonservative Einstellung der Telekom nachvollziehen und auch, dass die Bundesregierung mit der BNetzA eher opportunistisch handelt. Schade ist es, dass in solchen Themen soviel Zeit und Geld verschwendet wird Das bringt es uns doch nicht nach vorne.
Der nächste große Schritt? Nein.
Weiterführende Links: HVt, KVz, Nahbereich – Wo, was, wann und wie viel Bandbreite.
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